Donnerstag, 25. Oktober 2007
Identitätsmanagement
Manche Leute kriegen wohl zuviel: Informationen, Frust, Geld, was weiß ich. Jedenfalls gibt es Identitätsmanager. Das weiß ich, weil ich gerade eine Werbung dafür gesehen habe, nur so aus dem Augenwinkel. Abgefeimter und mit allen Wassern gewaschener Internetuser, der ich bin, habe ich sie mir nicht angesehen, denn solche Sachen verlieren bei näherer Betrachtung immer. Vielmehr dachte ich mir - was das wohl sein könnte? Nicht als Frage nach der kontingenten Realität, sondern nach dem Potentialis. Was kann man sich unter einem Identitätsmanager vorstellen, ausser einem rundum sinnlosen Tool, denn eine Identität braucht per definitionem keinen Manager, es gibt ja nur eine. Oder? Manchmal stellt man ja fest, dass man sich in Gruppen von Leuten anders verhält. Und erst recht, wenn man diverse Gruppen von Leuten kennt. Leroy, der Motorradrocker spricht und denkt anders als Leroy, der Mona-Lisa-Verehrer. Also hat man doch mehrere Identitäten, hah! Und um die alle unter einen Hut zu bekommen - wer will schon auf einer Harley durch den Louvre? - braucht man dann einen Manager, völlig klar. Der interagiert dann mit der Welt, und man kann im Bett bleiben. Wer jetzt einwendet, das sei langweilig, muss sich von mir sagen lassen: Das ist wahrer Luxus. Nicht nur nichts tun müssen, sondern nichts zu finden, das man noch tun wollte, weil alles fad geworden ist - das Bedarf enormer finanzieller und charakterlicher Ressourcen. Keinen Wunsch mehr zu haben, überhaupt die Idee eines Wunsches unerträglich zu finden in der Stille des Bettes, und stattdessen die Augen zu schließen, der Welt zu lauschen und festzustellen: Gut, dass jemand meine Identität managt, ich wäre wirklich überfordert damit. Eigentlich ist das Teil eh sinnlos, vielleicht sollte ich es bei ebay verticken.

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Donnerstag, 27. September 2007
Wir sind nicht einferstanden!!!
Ich hatte doch über das Apfelfest schreiben wollen! Gerade habe ich gut anderthalb Seiten verfassten Beitrag wieder gelöscht, weil mir einfiel, dass ich das Apfelfest nicht erwähnt hatte. Voller Stolz also korrigiere ich dieses Versäumnis, und nenne zunächst die Fakten: Es gibt zwei Jugendliche, die wollten das Apfelfest sprengen. Warum? Aus Frust. Das spricht Bände. Nichts gegen Äpfel, aber ein Apfelfest ist ja auch irgendwie eine dubiose Veranstaltung. Wahrscheinlich ist es die gescheiterte Konkurrenzfeier des phonetisch ähnlichen Abfüllfestes, das man aus marketingologischen Gesichtspunkten und nach langer Auswertung eines internationalen Kreativwettbewerbs, bei dem überhaupt nur Koryphäen zugelassen waren, dann Oktoberfest genannt hat. Nur halt ohne Weißwurst und Semmel, sondern mit Äpfeln. Statt der Maß gibt's lecker Most, und die Dirndl werden gegen Apfelkostüme getauscht. Das ist auch politisch viel korrekter, weil darin sieht jeder gleich aus. Aus diesen gleichaussehenden Schönheiten beidelei Geschlechts wird dann das Apfelbäckchen (tm) gekürt. Und weil die beiden eingangs erwähnten Jugendlichen wussten, dass sie dieses Jahr keine Chance hatten, Apfelbäckchen zu werden, waren sie frustriert, haben sich gedacht, na gut, dann werden wir halt Verbrecher, und sprengen das ganze Ding in die Luft. Welch berauschender Duft nach Apfel hätte in der Luft gehangen! Überall Kompott! Aber ach, irgendwie ist die Sache schief gegangen. Und den besoffenen Apfelfestbesucher freut dies wahrscheinlich, denn der hatte sicherlich nicht damit gerechnet, zu Kompott zu werden, und wäre damit auch nicht einferstanden. Genausowenig wie er mit der Welt als Ganzem einferstanden wäre, wäre er nicht betrunken (so geht es gerade noch, nur die verdammten Apfelkostüme versperren den Blick auf...). Diese Welt nämlich will ihm vorschreiben, dass es einverstanden heißt! Dabei ist der Laut doch exakt derselbe! Wozu braucht man das verdammte f, wenn es doch ein v gibt? Ich kann auch Apvel schreiben. Oder Apphel! Man würde mich allerdings als ungebildet brandmarken. Was mich hart treffen würde, so hart, dass ich aus Frust etwas in die Luft sprengen müsste. Vielleicht gibt es ja irgendwo ein Tomatenfest. Dann würde ich die Rote-Püree-Fraktion gründen, und mal richtig mit den Großbauern aufräumen! Das ich nicht lache, hier werden Menschen unterdrückt - seht euch doch mal die Tomaten an! Was mit denen gemacht wird.

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Donnerstag, 9. August 2007
Dadaisten, oder: Braucht das Leben wirklich einen Kommentar?
Eigentlich nein. Das ist ein sehr kunstfertiger Anfang, der bei Sinnierern und Interpreten sicherlich wieder für einen halben Tag Arbeit sorgt. Dieser schwarze Kubus, nur virtuell statt in Hamburg und nicht kubisch. Sondern mehr, na ja, null-dimensional im Potentialis. Aktuell sicherlich schwarz, aber das hängt natürlich vom Betrachter ab, auf erschreckend nicht zu leugnende Weise - woher soll ich wissen, wie ihr eure Browser konfiguriert? Vielleicht seht ihr ja alles orange in grün? Oder habt nur ein Schwarz-Weiß-Display? Besser noch - CGA? Schon wär's dahin mit dem Schwarzen Kubus, der auch noch so schön antinomisch daherkommt. "Eigentlich nein" - heißt das jetzt ja? "Eigentlich: Nein!" Oh mann, ich kann mich wirklich an sinnlosen Sachen berauschen. Wie auch - und hier beginnt der heutige, ja, äh, Überblick, allen Ernstes - die Dadaisten. Eine aufgedrehte, aber zugedröhnte Bande kunst-terroristischer Wonneproppen aus der Schweiz. Ist es Kunst, das Publikum zu beschimpfen? Wohl schon, doch, doch. Ich sehe dennoch davon ab, denn einmal ist genug. Das hätten sich die Dadaisten besser auch vorher überlegt, dann wären sie nicht von Bühnen geprügelt worden. Wobei vielleicht gerade das sozusagen Event-Kunst war. Totale Impression vermittels übler Schmerzen. Ja, man muss schon was Abkönnen als echter Künstler! Oder auch Jackass. Die Unterschiede verschwimmen, und wenn Johnny Knoxville wüsste, wer die Dadaisten wären, fände er sie bestimmt auch cool.
Geht es mir jedoch wirklich um eine Kunstrichtung? Eigentlich nein. Ich wollte nur kurz die Sinnfrage gestellt haben - muss eigentlich alles im Leben einen Sinn haben? Kann man nicht einfach mal hinnehmen, dass Bahnen zu spät kommen, Kinder seltsame Vornamen haben und der Konsumrausch einen völlig überfordert? Kann man nicht darauf verzichten, in Fernsehwerbung oder intersubjektiver Kommunikation auf Inhalte zu warten? Was ist so schlimm an "Und, wat sachse zum Wetter?" Das ist auch nichts anderes als "Meinen Sie nicht, dass im Universalienstreit eine reduktive Ontologie fruchtbringend ist?" Ich erwarte von mir zumindest nicht, andauernd ein respektables Mitglied des öffentlichen Lebens zu sein, no ma'am. Ich bin gerne damit zufrieden, den Abend fernzusehen. Solange nichts dadaistisches im Fernsehen kommt, das wäre dann doch zuviel. Ach, eins noch: Hiermit möchte ich Max Goldt Tribut zollen. Verschimmeltes Brot ist allerdings, wenngleich selten von Vorteil, noch immer überbewertet.

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